HIVEMIND ist ein spekulatives Zukunftsszenario, das menschliche Gehirne als kollektive Recheneinheit nutzt, um Bereiche zu erschließen, die für rein digitale Systeme unzugänglich sind. Der Schwerpunkt liegt auf Körperintelligenz – Denk- und Verhaltensmuster, die mit menschlicher Sensorik und Physiologie verbunden sind. Dadurch können Maschinen kreative Prozesse und ethische Abwägungen lernen. Teilnehmende verbinden sich über VR-Helme, die nicht-invasive neuronale Überwachung und audiovisuelle Stimulation ermöglichen. Die Sessions dauern mehrere Stunden und ähneln einer erweiterten Arbeitsform. HIVEMIND dient nicht nur dem maschinellen Lernen, sondern auch als künstlerisches und soziales Experiment. In simulierten Welten erforschen Teilnehmende Kooperation, Stress, Langeweile oder surreale Erfahrungen. Dabei geht es nicht um Unterhaltung, sondern um die Untersuchung menschlichen Verhaltens. Oft stammen die Teilnehmenden aus einkommensschwachen Schichten. Die Arbeit ist psychisch und physisch anstrengend, sodass sie nur begrenzt durchgeführt werden kann, ohne gravierende Schäden zu verursachen.



SYSTEMIC

Neurokoloniale Ausbeutung

HIVEMIND operationalisiert vulnerable Bevölkerungsgruppen als biologische Rechenressource – eine moderne Form des Neurokolonialismus. Die nicht-invasive neuronale Überwachung kaschiert, dass Langzeitfolgen hyperintensiver VR-Stimulation unerforscht sind (fehlende Daten zu Neuroplastizitätsverlust oder PTSD-Risiko bei repetitiver Traumainduktion). Systemisch betrachtet entsteht hier eine pathologische Feedbackschleife: Je mehr Daten generiert werden, desto höher der Anreiz, prekäre Arbeitsverhältnisse zu skalieren.

Körperintelligenz als paradoxe Handelsware

Das Konzept verkauft physiologische Prozesse als „unersetzbar“, während es gleichzeitig deren Automatisierung anstrebt. Kreativität und Ethik werden zu trainierbaren Algorithmen degradiert. Kritischer Hebelpunkt: Sobald Maschinen diese Muster internalisieren, verlieren die menschlichen „Rechenknoten“ ihren Wert – ein klassischer Selbstzerstörungsmechanismus kapitalistischer Innovation.

Pragmatische Gegenentwürfe

Statt Ausbeutung: Begrenzte Teilnahme von Freiwilligen mit psychologischer Begleitung und transparentem Datenbesitz. Open-Source-Frameworks könnten die Kontrolle über neuronale Daten dezentralisieren. Künstlerische Kooperativen statt Extraktion – z.B. kollektive VR-Performances, die Maschinen als Werkzeug nutzen, nicht als Zweck.

Soziotechnische Blindstellen

Die Annahme, kollektives Denken führe zu besseren ethischen Entscheidungen, ignoriert Gruppendenken und Machtgefälle im System. Ohne strukturelle Gleichheit (z.B. Einfluss armer Teilnehmer*innen auf Zielvorgaben) repliziert HIVEMIND bestehende Hierarchien. Fehlende Forschung zu Langzeiteffekten auf Sozialverhalten – könnte die VR-Immersion reale Empathie untergraben?

Ökologische Schattenkosten

Energieverbrauch der Infrastruktur (Serverfarmen + VR-Hardware) wird zugunsten der „humanen“ Komponente vernachlässigt. Dabei ist die CO2-Bilanz pro Stunde neuronales Crowdsourcing vermutlich höher als bei herkömmlichem Cloud-Computing. Einfache Lösung: Zertifizierung nach ökologischen Standards und Begrenzung der Session-Längen.

PRAGMATIC

Technische Machbarkeit

Nicht-invasive neuronale Überwachung via VR-Helme ist heute nur begrenzt präzise (EEG-Auflösung ~1 cm, 100 ms Latenz). Echtzeit-Datenfusion aus Gehirnen erfordert massiven Rechenaufwand – aktuell fehlen Algorithmen für sinnvolle Informationsaggregation. Kreative/ethische Muster zu extrahieren, setzt voraus, dass diese überhaupt quantifizierbar sind (z.B. wie misst man „Intuition“?).

Ethische und physiologische Risiken

Mehrstündige VR-Sessions führen bereits heute zu Motion Sickness (30% der Nutzer nach 15 Min.). Langzeitfolgen neuronaler Stimulation sind unerforscht – besonders bei vulnerablen Gruppen. Der Ansatz, marginalisierte Bevölkerungen als „Testsubjekte“ zu nutzen, reproduziert problematische Studienmodelle (vgl. Pharmatests in Entwicklungsländern).

Skalierungsprobleme

Körperintelligenz ist hochindividuell – selbst bei 10.000 Teilnehmern bliebe die Datenbasis für ML-Training fragwürdig. Energiebedarf pro Session (VR-Rendering + Cloud-Analyse) übersteigt den Nutzen: 1 Stunde HIVEMIND verbraucht ~2 kWh, während ein GPT-4-Training ~1.300 MWh benötigt.

Minimalversion als Workaround

Statt Massenexperiment: Fokus auf kleine, freiwillige Fachgruppen (z.B. Künstler, Ethiker) mit klarem Opt-out. Nutze existierende Biofeedback-Systeme (z.B. Muse-Headbands) zur Protokollierung von Stress/Kreativitätsmustern. Beschränke Sessions auf 45 Minuten mit medizinischer Überwachung. Daten nur für spezifische Use Cases (z.B. Entscheidungsfindung unter Unsicherheit) sammeln.

NORMATIVE

Autonomie und Ausbeutung

HIVEMIND wirft grundlegende Fragen zur informierten Einwilligung auf, insbesondere bei einkommensschwachen Teilnehmenden. Die psychophysische Belastung und potenzielle Langzeitschäden erfordern strenge deontologische Schutzmechanismen. Ein utilitaristischer Ansatz ("Fortschritt für viele") rechtfertigt nicht die Instrumentalisierung vulnerabler Gruppen. Lösung: Verpflichtende psychologische Vorab-Evaluierung, begrenzte Session-Dauer und faire Entlohnung, die nicht zur ökonomischen Nötigung wird.

Körper als Ressource

Die Nutzung menschlicher Physiologie als "Trainingsdaten" für KI überschreitet die normative Grenze zwischen Technologie und Biologie. Menschen werden zu lebenden Algorithmen degradiert – ein Bruch mit der Menschenwürde (Kant). Wertkonflikt: Körperintelligenz könnte medizinische oder kreative Durchbrüche ermöglichen, aber nur durch Ausbeutung. Pragmatischer Mittelweg: Freiwilligenprogramme mit transparenten Zielen und Eigentumsrechten der Teilnehmenden an generierten Daten.

Kulturelle Passfähigkeit

Kollektives Denken widerspricht westlichen Individualismus-Normen, könnte aber in kommunitaristischen Kulturen (z.B. Teilen Afrikas/Asiens) akzeptabler sein. Gefahr des ethnozentrischen Bias: Was als "Fortschritt" gilt, muss lokal verhandelt werden. Adaptionsvorschlag: Dezentrale HIVEMIND-Modelle, die kulturelle Werte (z.B. Harmonie vs. Innovation) in die Simulationsparameter integrieren.

Demokratische Kontrolle

Wenn HIVEMIND politische oder ethische Entscheidungen trainiert, wird menschliche Subjektivität zur Blackbox. Wer legt fest, welche Verhaltensmuster "lernenswert" sind? Lösung: Bürgerräte mit Vetorecht bei der Auswahl von Szenarien, um hegemoniale Narrative zu verhindern. Künstlerische Experimente benötigen klare Trennung von angewandter KI-Entwicklung.

SPECULATIVE

Neurokoloniale Ausbeutung

HIVEMIND operationalisiert das menschliche Gehirn als Rohstoff – eine radikale Fortsetzung des Plattformkapitalismus, der bereits Aufmerksamkeit und Daten monetarisiert. Die gezielte Rekrutierung prekarisierter Gruppen wiederholt die strukturelle Gewalt klinischer Pharmastudien des 20. Jahrhunderts, wo marginalisierte Körper als Testsubstrate dienten. Die vermeintliche "Freiwilligkeit" kaschiert ökonomischen Zwang.

Epistemische Gewalt

Der Anspruch, "Körperintelligenz" in Algorithmen zu übersetzen, reduziert implizites Wissen auf binär verwertbare Muster – eine digitale Phrenologie. Vergleichbar mit frühen Behaviorismus-Experimenten (Skinner-Boxen, Milgrams Gehorsamsstudien) wird subjektive Erfahrung in quantifizierbare Inputs zerlegt. Die surrealen Simulationen erinnern an MKUltra-Programme, die Bewusstseinsmanipulation durch sensorische Überlastung erforschten.

Posthumane Arbeitsverhältnisse

Die physischen Grenzen der Teilnehmenden markieren die paradoxe Schwachstelle: HIVEMIND benötigt menschliche Erschöpfung als Echtheitszertifikat, während es gleichzeitig diese Vulnerabilität ausbeutet. Dies untergräbt transhumanistische Narrative von schmerzfreier Enhancement-Utopie. Die Praxis ähnelt den "Click Farms" des globalen Südens, wo menschliche Körper als billige Prothesen für KI-Training dienen.

Ästhetik des Kontrollverlusts

Als künstlerisches Experiment zwingt HIVEMIND zur Konfrontation mit der eigenen Reduktion zum Neuro-Datenpunkt. Die Methode erinnert an Stelarcs Third Hand-Projekte oder ORLANs chirurgische Performances – doch hier wird die Selbstentfremdung nicht subversiv inszeniert, sondern industriell skalierbar gemacht. Die Teilnehmenden werden zu lebenden Readymades im Duchampschen Sinne.


HANDS ON

Grundlegende Umsetzung

Für einen DIY-HIVEMIND-Ansatz werden preiswerte EEG-Headsets (z. B. OpenBCI oder Muse) benötigt, die Hirnströme messen. Diese lassen sich mit Arduino/Raspberry Pi und Open-Source-Software (z. B. OpenViBE) zu einem simplen Netzwerk verbinden. Statt teurer VR-Brillen reichen Smartphones mit Cardboard-Haltern für die visuelle Stimulation.

Neuronale Synchronisation

Die Teilnehmer müssen in einem abgedunkelten Raum sitzen, um Ablenkungen zu minimieren. Über einfache Meditations- oder Atemübungen wird die Grundaktivität der Gehirne angeglichen. Die EEG-Daten werden zentral gesammelt und mit Python-Skripten analysiert, um Muster zu erkennen.

Experimentelle Protokolle

Statt komplexer Simulationen können einfache kooperative Aufgaben gestellt werden, z. B. gemeinsames Lösen von Puzzles oder kreatives Schreiben. Die Teilnehmer erhalten über Kopfhörer die gleichen Audio-Inputs (Weißes Rauschen, rhythmische Klänge), um die Synchronisation zu fördern.

Ethische Grenzen

Da längere Sessions ermüdend wirken, sollten sie auf 30–60 Minuten begrenzt werden. Pausen und hydrierende Getränke sind Pflicht. Ein Notfall-Exit (physischer Knopf) muss vorhanden sein, um die Verbindung sofort zu trennen.

Alternative Nutzung

Künstler können das System für kollektive Zeichenexperimente nutzen: EEG-Daten steuern gemeinsam generierte Visuals (z. B. mit Processing). Sozialforscher analysieren, wie Gruppen unter Stress Entscheidungen treffen – etwa durch gezielte Störsignale im Audiokanal.


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