Konzept und künstlerische Strategie

Diese raumgreifende Installation inszeniert einen begehbaren Spielplatz der Perspektiven, der kulinarische Vorurteile und kulturelle Konditionierungen auf humorvolle Weise dekonstruiert. Im Zentrum der Arbeit stehen mehrere überdimensionale, aus Silikon geformte Mehlwürmer von übermenschlicher Größe, deren realistische Segmentierung und weiche, organische Formen bewusst eine ästhetische Verfremdung erzeugen. Durch die niedliche, einladende Anmutung der Skulpturen wird die übliche Abneigung gegenüber Insekten unterlaufen und zur Reflexion angeregt: Warum gelten manche Tiere als niedlich, andere als ekelerregend, obwohl sie ähnliche Funktionen in der Nahrungskette erfüllen?

Formale und kunsthistorische Referenzen

Die Arbeit knüpft an die Tradition der Skalierungsstrategien von Claes Oldenburg an und evoziert die biomorphe Ambivalenz im Werk von Künstlerinnen wie Patricia Piccinini. Der White Cube fungiert als verstärkender Resonanzraum, der die surreale Präsenz der Objekte betont und die Interaktion zu einem kontemplativen Erlebnis verdichtet.

Interaktion und sinnliche Erfahrung

Ergänzend lädt ein Verkostungsregal zum sensorischen Dialog ein: Besucher:innen können hier speziell zubereitete Insektenprodukte probieren – von knusprigen Mehlwurm Snacks bis hin zu süßen Kreationen. Diese kulinarische Komponente transformiert die theoretische Reflexion in eine greifbare, alltägliche Erfahrung und erweitert die künstlerische Geste um eine praktische Dimension.

Zielgruppe und Wirkung

Die Installation richtet sich explizit an ein generationenübergreifendes Publikum. Während Kinder die Skulpturen spielerisch erkunden, werden Erwachsene dazu angeregt, ihre eigenen kulturellen und ethischen Prämissen zu hinterfragen - und sind obendrein zum Spielen eingeladen. So verbindet die Arbeit spielerische Interaktion, ästhetische Irritation und geschmackliche Neugier zu einem vielschichtigen Kommentar über Nachhaltigkeit, kulturelle Codierungen und die Zukunft der Ernährung.



PRAGMATIC

Material- und Herstellungskosten

Die Produktion überdimensionaler Silikon-Mehlwürmer erfordert erhebliche Ressourcen. Hochwertiges lebensmittelechtes Silikon liegt bei 80-120€/kg, bei geschätzten 200-300kg pro Wurm entstehen Materialkosten von 20.000-30.000€ pro Skulptur. Die Realisierung mehrerer Würmer übersteigt typische Kunstetats. Alternativ könnten Schaumstoffkerne mit dünner Silikonhaut die Kosten halbieren, allerdings mit Einbußen bei Haptik und Langlebigkeit.

Sicherheits- und Hygienevorschriften

Begehbare Skulpturen müssen TÜV-zertifizierte Traglasten (min. 150kg/m²) erfüllen. Die Kombination von Spielbereich und Lebensmittelausgabe erfordert zwei separate Zonen gemäß EU-Lebensmittelhygieneverordnung. Silikonoberflächen müssen täglich desinfizierbar sein – spezielle Beschichtungen treiben die Kosten weiter hoch.

Praktische Umsetzungsbarrieren

Der Verkostungsteil benötigt permanente Betreuung durch geschultes Personal (Allergiehinweise, Hygieneüberwachung). Insekten-Snacks unterliegen der Novel-Food-Zulassung – in Deutschland nur Mehlwürmer und Heuschrecken legal erhältlich. Die beschriebene ästhetische Verfremdung könnte paradox wirken: Niedliche Würmer könnten den Ekelfaktor reduzieren und damit die intendierte Irritation abschwächen.

Skalierbare Minimalversion

Testweise ein einzelner Mehlwurm (3-4m Länge) in Museumsumgebung ohne Verkostungsteil. Interaktion durch geführte Diskussionen statt unbeaufsichtigtem Klettern. Kostenkontrolle durch Polyurethanguss statt Vollsilikon, allerdings mit steiferer Haptik. Erfolgsmessung via Besucherbefragung zur Wahrnehmungsverschiebung bei Insekten als Nahrungsmittel.

NORMATIVE

Ethische Dekonstruktion kulinarischer Tabus

Die Installation stellt eine wertvolle ethische Provokation dar, indem sie speziesistische Vorurteile und kulturelle Konditionierungen hinterfragt. Die bewusste ästhetische Verfremdung der Mehlwürmer als "niedlich" konterkariert unsere automatischen Abwehrreaktionen und zwingt zur Reflexion über willkürliche Nahrungshierarchien. Dies berührt deontologische Fragen nach der Gleichbehandlung von Lebewesen und utilitaristische Kalküle zur Ressourceneffizienz.

Kulturelle Aneignung vs. nachhaltige Transformation

Problematisch könnte die mögliche Vereinnahmung kulinarischer Traditionen sein, in denen Insekten bereits etabliert sind – hier besteht die Gefahr eines neo-kolonialen Blicks, der "exotische" Praktiken als neuartige Lösung für westliche Nachhaltigkeitsprobleme instrumentalisiert. Eine ethische Ergänzung wäre die explizite Nennung der kulturellen Herkunft von Insekten als Nahrungsmittel und die Zusammenarbeit mit Vertreter:innen entsprechender Gemeinschaften.

Pädagogische Verantwortung und Einwilligung

Die Einbeziehung von Kindern wirft Fragen nach informierter Einwilligung auf: Während spielerisches Klettern unproblematisch ist, sollte die Verkostung bei Minderjährigen elterliche Zustimmung erfordern. Die Installation könnte durch transparente Information über Herkunft und Zubereitung der Insektenprodukte noch verantwortungsvoller agieren.

Ästhetische Ethik und sensorische Überwindung

Die Transformation des Ekels durch Humor und Ästhetik folgt einem cleveren ethisch-pädagogischen Ansatz, der moralischen Dogmatismus vermeidet. Praktisch sinnvoll wäre die Ergänzung von Informationsmaterial zu ökologischen Vorteilen und ethischen Aspekten der Insektenzucht im Vergleich zur konventionellen Tierhaltung, um die Reflexion zu vertiefen.

SPECULATIVE

Skalierung als subversive Geste

Die überdimensionierten Mehlwürmer operieren als perfide Verfremdungsstrategie – sie nutzen Oldenburgs Pop-Strategien nicht zur Feier des Konsums, sondern zur Demontage kulinarischer Tabus. Die weiche Silikonhaptik erzeugt eine beunruhigende Intimität, die Piccininis hybride Kreaturen um eine essbare Dimension erweitert.

Sensorische Ideologiekritik

Der Verkostungsstand ist der radikalste Akt: Er transformiert den White Cube in einen Ort gustatorischer Indoktrination. Indem er Ekelforschung mit kulinarischer Avantgarde verschränkt, dekonstruiert er nicht nur Esstabus, sondern performt die Neuprogrammierung sensorischer Wahrnehmung – ähnlich wie Rirkrit Tiravanijas kochende Installationen politische Räume schaffen.

Spiel als epistemologische Waffe

Die generationenübergreifende Ansprache unterläuft didaktische Moral – hier wird Food-Aktivismus als ludische Praxis inszeniert. Die Arbeit erinnert an Fluxus-Essensperformances, übertrifft diese jedoch durch ihre skulpturale Überwältigungstaktik.

Inspirierende Referenzen

Kulinarische Grenzgänger: Teresa Margolles' use of organic materials in visceral installations; Center for Genomic Gastronomy's edible prototypes; Anna Dumitriu's bioart explorations of microbial cultures; Next Nature Network's insect banquet initiatives; Cooking Sections' climavore projects reimagining food systems.

ECONOMIC

Wirtschaftliche Tragweite und Finanzierungsmodelle

Die Installation erfordert erhebliche Investitionen in Silikonverarbeitung, Lebensmittelzertifizierung und Sicherheitsstandards. Traditionelle Kulturförderung deckt selten solche hybriden Formate ab, die zwischen Kunst, Gastronomie und Bildung oszillieren. Ein Crowdfunding-Modell mit frühem Zugang zu Verkostungen könnte Kapital generieren, während Partnerschaften mit nachhaltigen Food-Startups die Betriebskosten durch Cross-Promotion senken. Die Skalierbarkeit leidet unter der Materialintensität der Großskulpturen – hier bieten Leasingmodelle oder modulare Wanderausstellungen ökonomische Entlastung.

Wertkonflikte und Grauzonen

Ein fundamentales Dilemma entsteht zwischen künstlerischer Autonomie und kommerzieller Vermarktung: Soll die Verkostung kostenpflichtig sein oder als kostenloses Bildungsangebot bleiben? Die EU-Novel-Food-Zulassung für Insektenprodukte schafft rechtliche Hürden, während kulturelle Barrieren die Breitenwirkung limitieren. Wirtschaftlich problematisch ist die Spannung zwischen elitärer White-Cube-Umgebung und dem inklusiven Anspruch – Eintrittsgelder könnten genau diejenigen ausschließen, deren Vorurteile adressiert werden sollen.

Alternative Wirtschaftsmodelle

Ein membership-basiertes Modell mit monatlichen Degustations-Events könnte nachhaltige Einnahmen generieren. Die Skulpturen selbst als limitierte Editionen zu verkaufen, finanziert zukünftige Produktionen. Kooperationen mit Wissenschaftsmuseen oder Food-Festivals bieten institutionelle Absicherung, während pop-up Formate in Supermärkten die Distributionskosten senken und neue Zielgruppen erreichen.

Inspiration aus der Praxis

Projekte wie das Insektenkochbuch "On Eating Insects" (Nordic Food Lab) zeigen, wie kulinarische Forschung in kommerziell erfolgreiche Publikationen mündet. Die "Insectarium"-Ausstellung in Montreal demonstriert erfolgreiche Edutainment-Vermarktung, während Künstler wie Pierre Huyghe hybride Ökosysteme zwischen Kunst und Biologie ökonomisch nachhaltig institutionalisieren.


HANDS ON

Grundkonzept: Skalierte Silikon-Skulpturen

Erstelle überdimensionale Mehlwurm-Skulpturen aus gießbarem Silikon. Beginne mit Drahtgestellen für die Grundform, umgebe sie mit Tonmodellen für die detaillierte Segmentierung und erstelle Gussformen aus Gips oder Fiberglas. Gieße zweikomponentiges Silikon ein – weißes Pigment direkt untermischen für die gewünschte Optik.

Alternative Materialien

Für kostengünstige Versionen: Aufblasbare PVC-Formen mit strukturierter Oberfläche durch aufgeklebte Schaumstoffsegmente. Oder mit weißer Latexfarbe überzogene Polsterungen auf flexiblen Drahtgerüsten. Für Innenräume eignen sich auch massive Schaumstoffblöcke, die mit Heißdraht in Wurmform geschnitten und mit elastischer Farbe beschichtet werden.

Praktische Umsetzungstipps

Verwende flexible PE-Schaumstoffröhren als Kern, umgebe sie mit aufgeschäumtem PU-Schaum für Volumen und arbeite die Oberfläche mit Modellierwerkzeugen aus. Mehrere dünne Schichten flexibler Acrylfarbe verleihen die nötige Haltbarkeit für Benutzung. Für die Standfestigkeit integriere Sandsäcke in der Basis oder befestige die Skulpturen mit Bodenankern.

Sensorische Ergänzung

Richte eine Probierstation mit selbstgemachten Insekten-Snacks ein: Mehlwürmer kurz in der Pfanne rösten, mit Gewürzen wie Paprika oder Curry bestreuen. Für süße Varianten karamellisieren oder in Schokolade tauchen. Präsentiere sie in durchsichtigen Behältern mit Beschriftungen zur Nachhaltigkeit.

PUSHY

Skalierung als katalytisches Werkzeug

Die überdimensionale Darstellung der Mehlwürmer wirkt nicht nur als humorvolle Verfremdung, sondern als körperlich erfahrbarer Hebel für Perspektivwechsel. Aktuelle Forschungen zur embodied cognition zeigen, dass physische Interaktion mit skalierten Objekten tiefere kognitive Umstrukturierungen auslösen kann als rein visuelle Reize. Zwei Forschungszyklen weiter könnte diese Skalierungsstrategie auf multisensorische Ebenen ausgeweitet werden – etwa durch haptische Feedback-Systeme, die Texturveränderungen simulieren, oder olfaktorische Elemente, die den Geruch von Erde und Kompost integrieren.

Ästhetische Ambivalenz als Trojanisches Pferd

Die bewusste Niedlichkeitsästhetik operiert als subversive Strategie, die kulturelle Konditionierungen unterläuft. Hier liegt Potenzial für erweiterte ästhetische Paradoxa: Was passiert, wenn die Skulpturen durch interaktive Elemente ihre Erscheinung verändern – von glatt zu rau, von warm zu kühl, von statisch zu bewegt? Aktuelle Materialforschungen zu programmierbaren Oberflächen könnten Objekte schaffen, die ihre Haptik in Echtzeit anpassen und so die Wahrnehmungsgrenzen weiter ausreizen.

Vom White Cube zum ökologischen Resonanzraum

Die gezielte Nutzung des White Cube als Kontrastverstärker könnte in nächsten Entwicklungsstufen bewusst gebrochen werden. Stellt euch vor, diese Installation wandert hinaus in urbane Räume, Parks oder Supermärkte – Orte, wo Ernährungskonflikte unmittelbar stattfinden. Site-specific Varianten könnten mit lokalen Insektenzüchtern kollaborieren oder sogar lebende Insektenkolonien integrieren, die die Skulpturen besiedeln und so eine sich ständig verändernde Ökologie schaffen.

Geschmack als erweiterte Interface-Ebene

Die Verkostungskomponente hat enormes Potenzial für sensory design-Erweiterungen. Stellt euch vor, die Geschmacksproben werden nicht einfach gereicht, sondern sind Teil einer interaktiven Erzählung: Besucher*innen müssen erst spielerische Herausforderungen meistern, um bestimmte Geschmacksrichtungen freizuschalten. Oder die Snacks ändern ihre Textur basierend auf Interaktionen mit den Skulpturen – eine Verbindung von physischem Spiel und geschmacklicher Belohnung, die behavioristische Muster clever unterläuft.

Erwachsene als spielende Akteure

Die explizite Einbeziehung Erwachsener eröffnet radikale Möglichkeiten für erweiterte Interaktionsdesigns. Was, wenn die Skulpturen durch Berührungen Erwachsener anders reagieren als durch Kinder – etwa durch subtile Vibrationen, Lichtänderungen oder sogar generative Soundscapes, die kulturelle Konditionierungen hörbar machen? Embodied-

BLOOM

ZUSTAND

Das Konzept befindet sich in einem fortgeschrittenen Entwicklungsstadium mit klarer ästhetischer, interaktiver und ethischer Ausrichtung. Die überdimensionalen Silikon-Mehlwürmer sind als begehbare Skulpturen konzipiert und zielen darauf ab, durch Skalierung und Verfremdung kulinarische und kulturelle Vorurteile zu hinterfragen. Die Integration eines Verkostungsbereichs erweitert die Erfahrungsebene und schafft einen greifbaren Dialog zwischen Theorie und Praxis. Allerdings bleiben materialtechnische und sicherheitsrelevante Hürden wie Herstellungskosten, Zertifizierungen und Hygienevorschriften noch nicht vollständig gelöst. Das Potenzial liegt in der Verbindung von Spiel, Reflexion und sensorischer Neugier, die eine vielschichtige Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit und Ernährungskultur ermöglicht.

HOTSPOTS

Kritisch sind die hohen Materialkosten und praktischen Umsetzungsbarrieren, insbesondere bei der Verwendung von lebensmittelechtem Silikon und der Einhaltung von Sicherheitsstandards für begehbare Installationen. Ethisch relevant ist die Gefahr der kulturellen Aneignung, falls die Herkunft von Insekten als Nahrungsmittel nicht ausreichend gewürdigt oder in Zusammenarbeit mit entsprechenden Communities entwickelt wird. Erbaulich wirkt die ästhetische Strategie der Niedlichkeit, die automatische Abwehrreaktionen unterläuft und einen humorvoll-reflexiven Zugang schafft. Die Einbeziehung sowohl von Kindern als auch Erwachsenen erweitert die Reichweite und Tiefe der Interaktion, während der Verkostungsteil die theoretische Reflexion in eine konkret erfahrbare Handlung übersetzt.

MUSTER

Skalierung als Verfremdungswerkzeug. Ästhetische Ambivalenz als Türöffner. Interaktion als kognitiver Katalysator. Geschmack als Brücke zwischen Idee und Praxis. White Cube als Resonanzverstärker. Erwachsene als spielende Reflexionsakteure. Materialkosten als limitierender Faktor. Kulturelle Referenz als ethical must. Sicherheit als Umsetzungshürde. Sensorische Erweiterung als Zukunftspotenzial.


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