Ein hauteng anliegender Anzug, der die physischen Einschränkungen und Schmerzen von Mastschweinen simuliert. Der Anzug ist mit Druckpunkten und Gewichten versehen, die Bewegungsfreiheit einschränken, während ein integriertes Atemsystem die stickige Luft der Stallungen nachahmt. Träger:innen erleben so eine körperliche Rekonstruktion der beengten Lebensbedingungen in der Massentierhaltung.

Das Tier als unsichtbare Infrastruktur Die industrielle Tierhaltung ist weitgehend aus der urbanen Wahrnehmung verdrängt – sie findet in geschlossenen Systemen statt, optimiert für Effizienz, nicht für Empfindungsfähigkeit. Das Konzept Pigskin zielt darauf, diesen blinden Fleck der Konsumgesellschaft erfahrbar zu machen – durch ein tragbares Designobjekt, das die körperlichen Einschränkungen und die sensorische Umwelt von Mastschweinen simuliert.

Aufbau und Funktion Der Anzug besteht aus einem hauteng sitzenden, elastisch-mechanischen Textil, in das modulare Elemente integriert sind:

Druckpunkte im Bereich der Schultern, Rippen und Oberschenkel simulieren das permanente Aneinanderstoßen in der Enge der Ställe. Gewichte an Gelenken schränken Bewegungen ein und erzeugen muskuläre Überlastung – eine direkte Referenz auf die zu schnell gezüchteten, überproportionierten Körper der Tiere. Ein Atemsystem mit Nasenmaske mischt die Umgebungsluft mit simulierten Stallgasen (z. B. Ammoniak in harmloser Konzentration), um die Belastung durch schlechte Luftqualität nachvollziehbar zu machen.

Der Anzug erzeugt keine medizinisch riskanten Zustände, jedoch ein belastendes Körpergefühl, das den Bewegungs- und Atmungsraum reduziert – physisch und psychisch.

Zielsetzung und Anwendung Pigskin richtet sich nicht an Konsument:innen zur Dauernutzung, sondern an Aktivist:innen, Lehrende, Designer:innen und politische Entscheidungsträger:innen. Der Anzug kann in Ausstellungen, Diskursveranstaltungen, Performances oder immersiven Lernumgebungen eingesetzt werden, um Massentierhaltung nicht abstrakt zu diskutieren, sondern somatisch zu erfahren.

Die zentrale These: Empathie für nicht-menschliches Leben entsteht nicht allein durch Bilder oder Zahlen, sondern durch leibliche Auseinandersetzung. Der Körper wird zur Vermittlungsfläche für ethische Reflexion.

Hintergrund und theoretische Bezüge Das Projekt bewegt sich im Spannungsfeld von Critical Design, Empathiedesign und Tierethik. Ästhetisch und konzeptuell knüpft Pigskin an performative und immersive Praktiken an – etwa die Arbeiten von Lucy McRae, die Körper in biopolitischen Grenzzuständen untersucht, oder das „Empathy Suit“ von Katharina Unger, das Auswirkungen von Umwelteinflüssen auf den Körper simuliert.

Die zugrundeliegende Idee ist in der embodied cognition verankert: Wissen und Verstehen sind nicht nur kognitiv, sondern auch körperlich verfasst (vgl. Lakoff & Johnson, 1999). In der Designforschung verweisen Positionen wie die von Pelle Ehn oder Carl DiSalvo auf den politischen Gehalt von „participatory und adversarial design“, also einer Gestaltung, die Konfrontation und Unbehagen als Mittel produktiver Reflexion einsetzt.

Ethik und Verantwortung im Design Pigskin ist kein didaktisches Tool zur bloßen Aufklärung. Es versteht sich als ethisch aufgeladenes Artefakt, das die Verantwortung von Gestaltung gegenüber dem Anderen – hier: dem nicht-menschlichen Tier – einfordert. Dabei geht es auch um die Ambivalenz von Empathie: Was bedeutet es, durch Simulation Leid zu „erleben“? Wo endet sinnliche Teilhabe und beginnt Reproduktion von Voyeurismus?

Design als Gegenmodell zur Normalisierung In seiner Form zielt Pigskin auf Irritation und Konfrontation. Der Tragevorgang ist aufwändig, das Gefühl unangenehm, die Erfahrung nicht heroisch, sondern entwürdigend. Diese Dimension ist zentral: Das Design verweigert Komfort, um Normalität als Konstruktion sichtbar zu machen – eine Normalität, in der Tiere auf 0,75 m² als Warenkörper existieren.

Körper als politisches Medium Mit Pigskin wird der menschliche Körper zur empathischen Projektionsfläche für das nicht-menschliche Leiden. Das Objekt steht für ein Designverständnis, das nicht Produkte, sondern Positionen erzeugt – nicht Lösungen, sondern Situationen. In diesem Sinne ist der Anzug weniger Kostüm als kritisches Werkzeug: Eine tragbare Ethik, die nicht belehrt, sondern berührt.





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