Im Kontext zunehmender urbaner Verdichtung, globaler Nahrungsmittelkrisen und einer dramatisch wachsenden Lebensmittelverschwendung steht die Frage im Raum, wie Städte nicht nur Abfall reduzieren, sondern auch neue, resiliente Ernährungssysteme entwickeln können. Obst zählt weltweit zu den am häufigsten weggeworfenen Lebensmitteln – insbesondere in urbanen Zentren, wo Transport, Lagerung und Überproduktion zu hohen Ausschussraten führen. Parallel dazu wächst die Notwendigkeit, tierische Proteine durch umweltfreundlichere Alternativen zu ersetzen. Insekten gelten in der agrar- und ernährungswissenschaftlichen Forschung (van Huis et al., 2013; Meyer-Rochow, 2010) als vielversprechende Quelle für nachhaltiges Protein, stoßen jedoch in westlichen Kulturen auf starke psychologische Barrieren. Diese Diskrepanz zwischen ökologischer Notwendigkeit und kultureller Ablehnung bildet den Ausgangspunkt für ein experimentelles Ernährungskonzept im urbanen Raum.

Urbane Zyklen schließen durch integrierte Insektenverwertung Urban insect farming verknüpft biologische Kreislaufprozesse mit künstlerischer Provokation und kulinarischer Innovation. Innerhalb eines stadtweiten Netzwerks werden Obstabfälle – ein exemplarisches, zuckerreiches Fruchtprodukt mit hohem Verderbspotenzial – gezielt fermentiert und als Nährsubstrat für die Aufzucht von Fliegenlarven genutzt. Dafuer sind im urbanen Stadtraum spezielle Stationen/Behälter eingerichtet, die von Stadtbewohnenden als Obst / Bikompost verwendet werden kann. Diese Stationen sind unter besonderer Betreuung und werden sorgsam mit Maden bestueckt, ggf gereinigt und gesichtet. Diese Maden agieren als biologische Konverter: Sie transformieren organischen Müll in hochwertiges Protein und verkörpern damit das Prinzip des radikalen Upcyclings. Angelehnt an Konzepte der zirkulären Ökonomie (Ellen MacArthur Foundation, 2015) und urbanen Landwirtschaft (Despommier, 2010) wird die Insektenzucht nicht nur als technische Lösung gedacht, sondern auch als kulturelle Intervention. Die Maden werden in regelmäßigen Abständen geerntet, getrocknet und zu hochwertigem Proteinpulver verarbeitet und bieten damit eine wertvollen zyklischen Schluss.

Umsetzung: Sensorische Irritation als Strategie der Transformation Die Umsetzung des Projekts versteht sich als hybride Form zwischen urbaner Infrastruktur, biotechnologischer Praxis und gesellschaftskritischem Design. Durch dezentrale Mikro-Insektenfarmen in Stadtteilen werden organische Reststoffe lokal verwertet, Transportwege minimiert und die Idee urbaner Selbstversorgung gestärkt. In der Strategie von urban insect farming liegt der eigentliche kulturelle Hebel: Die Installation und das resultierende Produkt fungiert nicht primär als Ersatzprodukt, sondern als Gesprächsanlass, als Störung im gewohnten Konsumregime, und fordert ihre NutzerInnen dazu auf, sich aktiv mit den ökologischen und ethischen Konsequenzen ihrer Ernährung auseinanderzusetzen.



SYSTEMIC

Ökologische Kreislaufschließung

Das Konzept adressiert effektiv urbane Nährstoffflüsse durch biologische Konversion von Obstabfällen zu Protein. Die Maden als biologische Konverter reduzieren Methanemissionen aus vergärenden Abfällen und schaffen geschlossene Kreisläufe. Kritisch: Die Energiebilanz der Trocknungs- und Verarbeitungsprozesse muss quantifiziert werden – hier fehlen konkrete Lebenszyklusanalysen. Vergleichbar mit historischen Systemen wie traditioneller Kompostierung, aber mit höherer Wertschöpfung.

Soziokulturelle Barrieren und Transformation

Die psychologische Barriere gegenüber Insektenkonsum wird klug als gestalterische Chance genutzt. Die sichtbaren Stationen wirken als kontinuierliche Bewusstseinsintervention, ähnlich wie Gemeinschaftsgärten urbane Ernährungssysteme demokratisierten. Allerdings: Erfolg hängt von partizipativer Einbindung ab – ohne co-kreative Workshops könnte Ablehnung verstärkt werden. Lösungsansatz: Geschmacksneutrale Proteinpulver als Einstieg, begleitet von sensorischen Edukationsformaten.

Skalierbarkeit und Systemintegration

Dezentrale Mikrofarmen minimieren Transporte, doch benötigen standardisierte Protokolle für Hygiene und Erntequalität. Fehlende Daten: Flächenbedarf pro Einwohner und Wirtschaftlichkeit ohne Subventionen. Systemischer Hebel: Kopplung mit bestehenden Biomüll-Sammelsystemen. Pragmatischer Schritt: Pilotierung in Food-Coop-Umgebungen mit bereits sensibilisierten Nutzergruppen, bevor stadtweite Ausrollung.

PRAGMATIC

Technische Machbarkeit

Die Insektenzucht mit Obstabfällen ist technisch umsetzbar, erfordert jedoch präzise Temperatur- und Feuchtigkeitskontrollen. Fliegenlarven benötigen stabile 25-30°C und hohe Luftfeuchtigkeit, was in urbanen Umgebungen energieintensive Klimatisierung erfordert. Fermentationsprozesse müssen hygienisch überwacht werden, um Pathogenbildung zu verhindern.

Infrastrukturelle Hürden

Dezentrale Stationen brauchen regelmäßige Wartung durch geschultes Personal – Reinigung, Larvenbesatz und Ernte sind arbeitsintensiv. Ohne automatisierte Systeme entstehen hohe Personalkosten. Raumknappheit in Städten erschafft Standortprobleme, da Anlagen Geruchsentwicklung und Lärm verursachen.

Wirtschaftliche Realität

Die Proteinproduktion durch Insekten ist aktuell nicht kostendeckend. Verarbeitungskosten (Trocknen, Mahlen) übersteigen den Marktpreis für Proteinpulver deutlich. Subventionen oder Abfallgebührenreduktion wären nötig, was die Kreislaufwirtschaft finanziell instabil macht.

Kulturelle Akzeptanz

Trotz künstlerischer Provokation bleibt die Skepsis gegenüber Insektenprotein in westlichen Gesellschaften eine massive Markthürde. Erfahrungen aus ähnlichen Projekten zeigen, dass nur Nischenmärkte (Tierfutter) realistisch sind. Direkter Humanverzehr erfordert jahrelange Aufklärungsarbeit.

Skalierbarkeit

Minimalversionen in Gemeinschaftsgärten oder Bildungsinstitutionen sind machbar, aber stadtweite Netzwerke scheitern an regulatorischen Vorgaben (Lebensmittelsicherheit, Hygieneverordnungen). Erfolgsversprechender wäre die Fokussierung auf Tierfutterproduktion, wo rechtliche Hürden niedriger sind.



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